Im Gedenken an Loki Schmidt
Loki Schmidt hat denen, die sie erleben durften, viel bedeutet und bleibt uns in vielen pädagogischen und menschlichen Dingen Vorbild.
Aus den Erinnerungen an die Feier ihres 90. Geburtstages in unserer Schule haben viele Schüler noch ein waches, strahlendes und lebendiges Bild von ihr vor Augen. Sie war eine aufmerksame, sensible, intelligente, humorvolle und auf Gerechtigkeit bedachte Kollegin. Selbst in Zeiten „rauer See“ (für unsere Schule) konnte man sich auf Loki Schmidt verlassen. Mit der Pflanzung einer Vogelkirsche vor unserem Schuleingang möchten wir Loki Schmidt gedenken und uns bedanken.
In unseren Herzen wird sie weiterleben.
Olaf Pahl
(ehemaliger Schulleiter)
31.10.2010
Loki Schmidt feierte ihren 90. Geburtstag an der Albert-Schweitzer-Schule
Kinder stehen für sie immer noch im Mittelpunkt. Das bewies die Pädagogin Loki Schmidt, als sie am 9. April in der Aula der ASS ihren runden Geburtstag nachfeierte. Die Gästeschar bestand neben ihrem Ehemann Helmut Schmidt aus etwa 100 Schülern, sowie einigen Eltern und Lehrern. Loki Schmidt freute sich sehr über die Darbietungen der Schüler der Albert-Schweitzer-Schule. „Wäre ich nur halb so alt“, sagte sie am Ende der Veranstaltung, „ich hätte mich hier als Lehrerin beworben und wisst ihr was, Herr Pahl hat gesagt, er hätte mich auch genommen.“
Das Programm der Geburtstagsfeier
Die Festrede des Schulleiters Olaf Pahl
Die Festrede von Prof. Dr. Reiner Lehberger
Lokis Danksagung
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Loki Schmidt umschwärmt wie ein Star, sowie
„Happy Birthday“ Ein Ständchen für Loki
Engagiert, streitbar, mutig: Erna Stahl (1900 – 1980) war mit Leib und Seele Pädagogin. 1950 gründete sie die Albert-Schweitzer-Schule – eine Schule, die erfolgreich einem bis heute einzigartigen pädagogischen Konzept folgt. Olaf Pahl, Direktor der Albert-Schweitzer-Schule, traf sich mit zwei Persönlichkeiten, die Erna Stahl kannten: Loki Schmidt und Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Erinnerungen an die stets unbequeme Pädagogin.
„Kinder müssen das Gefühl haben: ‚Das ist meine Schule'“, sagt Loki Schmidt und lehnt sich zurück. „Das ist sehr wichtig“, fügt sie hinzu, die selber lange Zeit als Lehrerin an Hamburger Schulen unterrichtete. „Leider ist dies heute ziemlich verloren gegangen. Doch Erna Stahl hat das gekonnt.“
Es ist nicht Verklärung, die Loki Schmidt dies sagen lässt. Und nicht alles findet sie gut und richtig. Denn „streng“ sei die Pädagogin gewesen, sagt sie. Bisweilen gar „autoritär“, wie Helmut Schmidt hinzufügt. Beide haben sie Erna Stahl noch als Deutschlehrerin erlebt, damals an der Lichtwarkschule in Winterhude, jener bekannten Reformeinrichtung, die 1921 in Hamburg gegründet wurde. Förderung des Gemeinschaftsgedankens sowie die Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu kritischen Menschen – so lauteten die Ideale der Schule. Bis 1937 das Nazi-Regime die Bildungseinrichtung, als „rotes Mistbeet am Stadtpark“ beschimpft, schließen ließ.
Verurteilt und gerettet Zu dieser Zeit war Erna Stahl bereits an die damalige, linientreue Mädchenoberschule im Alstertal strafversetzt. Denn sie hatte sich stets geweigert, den Hitler-Gruß zu Beginn des Unterrichtes einzuführen, hatte das Skandieren von Nazi-Parolen ebenso unterbunden wie sie in den Stunden als „entartet“ gebrandmarkte Kunstwerke betrachten und indizierte Bücher lesen ließ. Doch auch an der Mädchenoberschule machte Erna Stahl aus ihrer antifaschistischen Haltung keinen Hehl. So wurde die Lage für sie zunehmend gefährlicher – zumal sich in der Zwischenzeit einige ihrer ehemaligen Lichtwark-Schüler der Widerstandsgruppe Weiße Rose angeschlossen hatten. Die Gestapo hatte Erna Stahl im Visier, ließ sie 1943 das erste Mal verhaften.
1944, ein zweites Mal eingesperrt, folgte eine Anklage wegen Hochverrats. Nun war es nicht mehr Einzel- oder Dunkelhaft, die Erna Stahl bedrohte, sondern die Todesstrafe.
Das Ende des Krieges aber kam der Vollstreckung zuvor, US-Soldaten befreiten sie in letzter Minute.
Bereits kurz nach Kriegsende wurde ihr die Schulleitung der Mädchenoberschule lstertal angetragen. Erna Stahl sagte zu. Denn sie witterte die Chance, den Reformgedanken der Lichtwarkschule wieder aufleben zu lassen – und konsequent zu erweitern: „Ehrfurcht vor allem Lebendigen, die unbedingte Verpflichtung zur Humanität, eine Schule, die sich aus dem Menschen beseelenden Enthusiasmus aufbaut, die Weckung des Freiheitsdranges“, das wollte sie erreichen. Nie wieder sollte eine Diktatur in Deutschland möglich sein, forderte sie. Erna Stahl wollte alles dafür tun, ihren Schülern dafür das notwendige Rüstzeug zu vermitteln. Und auch ihren Schülerinnen. Denn die Ko-Edukation war ebenfalls erklärtes Ziel der Pädagogin – ein Ziel, das 1948 erreicht war.
Eine Schule für alle.
Auch Erna Stahl folgte dem Gedanken der gemeinschaftlichen Schule für alle. Sie sollte, unabhängig vom sozialen Status, allen Schülern die Möglichkeit zur Entfaltung bieten. Dafür wollte sie den Unterricht bis zur 10. Klasse in einem gemeinsamen Klassenverband aber nicht erst mit der 5. Klasse beginnen lassen, wie es an der Lichtwarkschule der Fall war, sondern schon ab der 1. Klasse. Anschließend sollte den befähigten Schülern der Weg zum Abitur offen stehen. Bis heute ist dies elementarer Bestandteil der schulischen Ausbildung an der Albert-Schweitzer-Schule. Gleichzeitig nahm Erna Stahl zahlreiche Impulse aus der Waldorf-Pädagogik auf – ebenfalls bis heute fest im Konzept der Schule verankert: So wurde der Epochen- und frühfremdsprachliche Unterricht ebenso festgeschrieben wie ein musischer Ansatz, der alle Fächer durchzieht.
1950 schließlich gab die Behörde dem Drängen Erna Stahls nach, erlaubte die Umsetzung des Konzeptes: Damit war der Grundstein für die Albert-Schweitzer-Schule gelegt. Gleichzeitig konnte Erna Stahl den Zugang zahlreicher Lehrerkolleginnen und – kollegen aus früheren Zeiten ermöglichen, darunter manche, die wie sie die Verfolgung durch das Nazi-Regime am eigenen Leib erlebt hatten.
Längst hatten sich das Ehepaar Schmidt und Erna Stahl zu dieser Zeit aus den Augen verloren. Umso überraschender das Wiedersehen: „Wir waren mit dem damaligen Bundesbankpräsident Karl Klasen befreundet. Seine drei Kinder waren alle bei Erna Stahl auf der Schule“, erinnert sich Loki Schmidt. „Bei den Klasens sind wir häufiger gewesen, die dann immer von der Schule ihrer Kinder schwärmten. Klasen hatte ein sehr geselliges Haus, dort haben wir Erna Stahl dann wieder getroffen und es ist ein freundliches Verhältnis entstanden“.
Die Ideen Albert Schweitzers leben weiter Bei jenem denkwürdigen Ereignis des Jahres 1959 waren sie allerdings nicht mit dabei:
Auf Einladung Erna Stahls kam Albert Schweitzer nach Hamburg, um jene Schule zu besuchen, deren Namenspatron er war. Begeistert von der konzeptionellen Ausrichtung der Schule, den ihr innewohnenden, auch von ihm postulierten Prinzipien der Humanität, Nächstenliebe und der Lerninhalte wünschte er sich, dass „diese Schule Schule machte“. Es wundert daher nicht, dass der Friedensnobelpreisträger bis zum seinem Tode der Schule eng verbunden blieb – und seine Ideale noch heute den Schulalltag wesentlich prägen.
So wies Albert Schweitzer stets auch auf die Notwendigkeit der musisch- künstlerischen Ausbildung der Schüler hin. Bei den Schmidts, beide begeisterte Musikliebhaber, findet das buchtsäblich offene Ohren: „Bei mir gab es morgens keinen Unterricht, der nicht mit einem Lied anfing. Man muss doch einen Schultag mit etwas Besonderem anfangen“, so Loki Schmidt. Und es scheint, als hätte sie selbst dem Kollegium der Albert-Schweitzer-Schule angehört, in der eine kurze Morgenfeier mit Gesang und Versrezitationen von jeher zum festen Bestandteil des alltäglichen Unterrichtsbeginns gehören.
Der Ruf Erna Stahls ist auch heute, über 40 Jahre nach ihrem Abschied als Gründerin und Leiterin der Albert-Schweitzer-Schule legendär. „Ich habe einige Menschen getroffen, die in der Albert-Schweitzer-Schule waren, auch Mitarbeiter meines Mannes“, meint Loki Schmidt. Und Helmut Schmidt ergänzt: „Sie muss damals ein strenges Regiment geführt haben“. „Aber eines ist ja wohl klar“, erinnert Loki an die Reformpädagogin Erna Stahl: „Mit ihrer Art, die Schule so zu formen, wie sie sie haben wollte, hat sie eine fabelhafte Schule hingekriegt“.
Liebe Leserinnen und Leser,
ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bei Loki und Helmut Schmidt für ein fast zweistündiges Gespräch in Ihrem Haus in Langenhorn bedanken. – Meinen besonderen Dank an Loki Schmidt, die sehr schnell die Zitate in diesem Artikel freigab.
Olaf Pahl